BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Fraktion der GRÜNEN im Rheinisch-Bergischen Kreis

ÖPNV verbessern, von anderen lernen

Verkehrspolitiker*innen der GRÜNEN zu Gast in Karlsruhe Die Verkehrspolitiker*innen der GRÜNEN waren am 30.08. und 31.08.2018 zusammen mit ihren CDU-Kollegen in Karlsruhe und haben dort mit Vertretern des Karlsruher Verkehrsverbunds (KVV) gesprochen. Mit dabei war auch Andreas Wolter (GRÜNE), Bürgermeister und Vorsitzender des Verkehrsausschusses in Köln. Die Delegation folgte einer Einladung des KVV und informierte sich vor Ort über den Ausbau des Karlsruher Streckennetzes, den probeweise eingeführten entfernungsbasierten Fahrpreis und die hierfür eingesetzte App "ticket2go". Im Rahmen des Projekts "RegioMOVE" arbeitet der KVV an einer weiteren App, mit der nicht nur Verbindungen mit Bus und Bahn, sondern auch mit vielen anderen Verkehrsmitteln angezeigt, gebucht und bezahlt werden können. Am zweiten Tag stand das vom KVV betriebene Testfeld für autonomes Fahren im Vordergrund.

04.09.18 –

Verkehrspolitiker*innen der GRÜNEN zu Gast in Karlsruhe

Die Verkehrspolitiker*innen der GRÜNEN waren am 30.08. und 31.08.2018 zusammen mit ihren CDU-Kollegen in Karlsruhe und haben dort mit Vertretern des Karlsruher Verkehrsverbunds (KVV) gesprochen. Mit dabei war auch Andreas Wolter (GRÜNE), Bürgermeister und Vorsitzender des Verkehrsausschusses in Köln.

Die Delegation folgte einer Einladung des KVV und informierte sich vor Ort über den Ausbau des Karlsruher Streckennetzes, den probeweise eingeführten entfernungsbasierten Fahrpreis und die hierfür eingesetzte App "ticket2go". Im Rahmen des Projekts "RegioMOVE" arbeitet der KVV an einer weiteren App, mit der nicht nur Verbindungen mit Bus und Bahn, sondern auch mit vielen anderen Verkehrsmitteln angezeigt, gebucht und bezahlt werden können. Am zweiten Tag stand das vom KVV betriebene Testfeld für autonomes Fahren im Vordergrund.

Mit der Mitnutzung und Übernahme von Eisenbahnstrecken der Deutschen Bahn hat der KVV bereits vor mehr als 25 Jahren eine Vorreiterrolle übernommen ("Train-Tram-System", sog. "Karlsruher Modell"). Im Karlsruher Umland werden die Eisenbahngleise seit 1992 auch von Straßenbahnen genutzt. Die Straßenbahnen fahren nicht nur zum Hauptbahnhof, sondern vom Umland ohne Umsteigen auch direkt in die Innenstadt. Dafür wurden die Streckennetze von Deutscher Bahn und Straßenbahn miteinander verbunden, Strecken elektrifiziert, neue Fahrzeuge beschafft und zahlreiche neue Haltestellen eingerichtet. Mit diesen Maßnahmen konnten die Fahrgastzahlen verzehnfacht werden.

Nun erhält Karlsruhe eine neue U-Bahn. Derzeit werden im Stadtzentrum sieben Haltestellen unter die Erde verlegt. Tunnel und neue Signaltechnik erhöhen die Kapazität der Strecke und die Zuverlässigkeit der Verbindungen. Die Stationen unter der Innenstadt werden von acht Linien befahren. Die Tunnelarbeiten sind abgeschlossen. In Kürze beginnen die Maßnahmen zum Innenausbau. Die Inbetriebnahme soll Ende 2020 erfolgen. In Kombination mit einem Straßentunnel werden dann insgesamt 1,1 Milliarden Euro verbaut worden sein. Die Delegation konnte sich am Abend des 30.08.2018 ein Bild vom aktuellen Ausbaustand machen (siehe Foto).

Um die Fahrpreise auf kurzen, d. h. weniger als fünf Kilometer langen Strecken attraktiver zu machen, wurde in der Karlsruher Innenstadt ein entfernungsbasierter elektronischer Tarif ("eTarif") eingeführt. Neben einem Grundpreis von einem Euro müssen für jeden zurückgelegten Kilometer 25 Cent bezahlt werden. Die Kosten für das Ticket werden nach der Luftlinie zwischen Start und Ziel berechnet. Deshalb wird der neue Tarif auch als "Luftlinientarif" bezeichnet. Maximal ist ein Betrag von 2,50 Euro zu entrichten. Dieser Betrag entspricht dem bisherigen Preis für eine Fahrt in der Innenstadt. Über die App "ticket2go" checkt der Fahrgast zu Fahrtbeginn ein und zum Ende der Fahrt wieder aus. Nach dem Ausstieg wird der Fahrpreis abgerechnet. Mit der Einführung des eTarifs wurden zahlreiche Kurzstreckenfahrten billiger. Damit werden kurze Fahrten mit Bus und Bahn deutlich attraktiver. Darüber hinaus kann die App aber auch für Fahrten in der gesamten Region genutzt werden. Zwar gilt hier der entfernungsabhängige Tarif bisher noch nicht, jedoch wird für die gesamte Strecke immer der günstigste Tarif in Rechnung gestellt. Das Studium von Fahrpreistabellen entfällt. Damit wird der Ticketkauf deutlich vereinfacht.

"Alles außer Beamen". Das verspricht das Projekt "RegioMOVE". Ziel: Information über alle Angebote in einer Region aus einer Hand. Zentrales Element ist die Verbindungsauskunft. Dabei werden zahlreiche Verkehrsmittel berücksichtigt. Der Kunde kann auswählen, welche Verkehrsmittel in die Suche einbezogen werden sollen. Bei der Auswahl können neben Bus und Bahn auch Leih-Fahrräder, CarSharing-Fahrzeuge, Taxen und weitere Produkte anderer Dienstleister berücksichtigt werden. Auswahl der Verkehrsmittel, Buchung und Abrechnung erfolgen über ein gemeinsames Portal. Die App berücksichtigt alle Echtzeitinformationen, informiert über Störungen und schlägt umgehend mögliche Alternativen vor. Regelmäßig genutzte Strecken können als Favoriten hinterlegt werden. Darüber hinaus informiert die App über verfügbare Dienstleistungen an Zwischenstationen. Widgets, die auf dem Sperrbildschirm des Handys abgelegt werden können, erleichtern den Überblick. Damit entsteht ein umfassendes Service-Portal zur Sicherstellung moderner und umweltfreundlicher Mobilität. Warum eine weitere App? Im Gegensatz zu anderen Anbietern wird die Nutzung nicht mit der Preisgabe von persönlichen Daten bezahlt. Im Vordergrund steht der Nutzen für die Kund*innen. Das Projekt wird von der EU und dem Land Baden-Württemberg mit fünf Millionen Euro gefördert. Die App soll in zwei Jahren fertig sein.

Auch mit dem autonomen Fahren beschäftigt sich der KVV. Der Testbetrieb des vom Land Baden-Württemberg geförderten Testfelds wurde im Mai dieses Jahres aufgenommen. Derzeit ist eine Straßenkreuzung in der Karlsruher Innenstadt mit Kameras, Sensoren, Wetterstation und den notwendigen Datenverbindungen ausgestattet. An dieser Kreuzung können Anbieter ihre Fahrzeuge und die darin verbaute Technik im öffentlichen Raum testen und optimieren. Der Betreiber gewährleistet die rechtliche Zulässigkeit der Tests, stellt hochgenaues digitales Kartenmaterial zur Verfügung, bietet einen umfassenden Versicherungsschutz und trägt Sorge für einen hinreichenden Datenschutz. Wenn das Testfeld vollständig ausgebaut ist, können die Tests auf insgesamt 200 Straßenkilometern in den Stadtgebieten von Karlsruhe, Heilbronn und Bruchsal sowie auf den Autobahnen zwischen diesen Städten durchgeführt werden. Das Besondere in Karlsruhe: Der KVV bietet nicht nur Testfelder für den motorisierten Individualverkehr (MIV), sondern beschäftigt sich auch mit dem fahrerlosen Betrieb von Mini- und Standardbussen im ÖPNV und auch mit autonom fahrenden Liefer-, Sonder- und CarSharing-Fahrzeugen. Der KVV betreibt selbst einen EVA-Shuttle-Bus im Testfeld. EVA steht dabei für "elektrisch, vernetzt und autonom". Nächstes Ziel ist die Inbetriebnahme von Ringlinien, die auf Anforderung auf festen Routen als Buszubringer zu den Haltestellen der Straßenbahnlinien verkehren – und damit den Weg zur Straßenbahn auf der "letzten Meile" vereinfachen. Die Fahrzeuge (u. a. der "eGO-Mover") stehen bereits zur Verfügung. Das Testfeld für die Inbetriebnahme der autonom verkehrenden Zubringerbusse wird in den Karlsruher Stadtteilen Weiherfeld-Dammerstock und Rüppurr entstehen. Mit diesem System entwickelt der KVV den MIV und den ÖPNV zum individualisierten öffentlichen Verkehr weiter. Die Vertreter des KVV sehen damit eine Zukunft für den ÖPNV. Sie sind sich sicher, dass die Zahl der Autos in den Städten nur mit einem starken SPNV und ÖPNV gesenkt werden kann. Die notwendige Technik ist bereits heute vorhanden. Wann weiterreichende Projekte starten können, bleibt jedoch offen, denn die Dynamisierung der Entwicklung hängt in hohem Maße ab von der Gestaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen.

Karlsruhe ist Vorreiter und beschreitet neue Wege. Neben dem Ausbau der Infrastruktur steht die Vereinfachung der Verkehrsmittelnutzung im Vordergrund. Die Maßnahmen sind aufwendig, führen aber zu deutlichen Qualitätsverbesserungen. Von den Besten lernen und Best Practice-Beispiele aufnehmen. Die Fahrt nach Karlsruhe war lehrreich. Nun gilt es, die Anregungen aufzunehmen und zu prüfen, welche Maßnahmen in welcher Form auch im Rheinisch-Bergischen Kreis umgesetzt werden können.

Die GRÜNEN danken Olaf Strotkötter, Dr. Frank Pagel, Pascal Prügel und Wolfgang Weiß vom KVV sowie Dr. Michael Frey vom KIT Institut für Fahrzeugsystemtechnik für die Vorstellung der Projekte.